Ein Bummel durch 80 Jahre Mode
Märkischer Markt, 23/24. Mai 2007
Ein Bummel durch 80 Jahre Mode
Kleider, Hüte, Schuhe, Taschen, Brillen, Schirme, Schmuck …
Sammelleidenschaft begann mit Omas schwarzem Satinkleid
von Benno Dietrich
Ein Herbstkostüm aus braun strukturiertem Baumwoll-Kunstseidegewebe mit Verzierungen durch Samtbesatz und Posamentenbänder (1905), ein Tanzkleid aus Seidentüll mit Stabglasperlenstickerei (1927) oder ein großdekolletiertes , ärmelloses Abendleid mit langer Schleppe (1934) – dies sind 3 der insgesamt 351 ausgestellten Kleider und Kostüme in dem europaweit einzigartigen Modemuseum im Schloss Meyenburg (Prignitz). Sie gehören zu dem Fundus von rund dreitausend Kleidungsstücken aus der Zeit zwischen 1900 und 1980, die die Modedesignerin Josefine Edle von Krepl nebst vielen Hüten, Taschen, Schuhen, Schirmen, Ketten, sowie weiteren Accessoires zusammen getragen hat. Die geborene Füstenwalderin, die zu DDR-Seiten auch die erste private Boutique in Ostberlin betrieb, hat sich mit der Eröffnung des Museums vor einem Jahr endlich ihren Traum erfüllt. Über achttausend Besucher kamen bereits im ersten halben Jahr. Neben der Reise durch sieben Jahrzehnte Alltagsmode - jeweils in verschiedenen Räumen präsentiert - lassen wechselnde Sonderausstellungen, musikalische und literarische Veranstaltungen sowie das Café und der Museumsshop für Antikmode und Accessoires einen Besuch zu einem Erlebnis werden.
„Die Männer“ sagt Josefine Edle von Krepl, „werden von ihren Frauen oftmals unfreiwillig hier her geschleift. In ein Modemuseum! Entsprechend freudig schauen sie auch aus. Aber wenn sie das Museum verlassen, scheinen sie wie verwandelt:
Das kann sich jeder Mann ansehen, gehen sie völlig euphorisch wieder nach Hause. Das ist schon bemerkenswert.“ Vielleicht ist die Museumsbegründerin tatsächlich etwas verwundert darüber, aber sie weiß, dass sie inmitten der Prignitz einen außergewöhnlichen Ort erschaffen hat, der Modekunst und Zeitgeschichte miteinander verbindet und für jeden Besucher eine Entdeckungsreise bereit hält – ob Mann oder Frau, ob jünger oder älter. Lange hat sie nach einem Ort gesucht, ihren einzigartigen Fundus an Kleidern, Hütten, Taschen, Schuhen, Ketten Broschen, Schnallen, Schirmen, Ohrringen, Hutnadeln und anderen Accessoires öffentlich zu zeigen, oder besser: zu feiern. Josefine Edle von Krepl stellt nicht nur einen Teil ihrer Sammlung aus, sondern zelebriert ihre historische Modenschau. Und dies nicht irgendwo, sondern in einem Schloss. Nach der jahrelangen Sanierung des Schlosses Meyenburg, suchte die Stadt nach einem passenden Nutzungskonzept. Keine Seniorenresidenz, kein Hotel, keinen Nobelklinik zogen in die Gemächer ein, sondern eine kleine rothaarige Frau, besessen von einer Idee, begeistert von der Schnittkunst früherer Modemacher und ausgestattet mit ausgeprägtem Sachverstand.
Zwei Suchende hatten sich gefunden und im Juni 2006 für zunächst zehn Jahre einander versprochen. „Das sind alles meine Darlings“, sagt sie liebevoll zu ihren Kleidern aus der Zeit zwischen 1900 und 1980. Die meisten hat sie angekauft und, bei Haushaltsauflösungen erstanden, „von Omis und Tanten“ geschenkt bekommen oder in irgendeiner alten Wäschetruhe gefunden. Jedes Teil restaurierte und reinigte sie selber. Viele der gesammelten Stücke sind mit einer ganz persönlichen Geschichte verbunden und haben den „Umweg über die Straße genommen“, bevor sie im Museum ein Stück Ewigkeit genießen dürfen, wie beispielsweise das Hochzeitskleid ihrer Mutter aus dem Ende der dreißiger Jahre, das Verlobungskleid einer Frau, das sie auch in den Kriegswirren und in den berlinern Bombennächten immer bei sich hatte oder das Kleid aus den zwanziger Jahren, das sie als Knäul aus einem Müllcontainer herausfischte. Für jedes Jahrzehnt richtete sie einen oder zwei Räume ein – nicht nur mit Kleidern und Accessoires, sondern auch mit Einrichtungsgegenständen aus jener Zeit. Im Hintergrund spielt Musik aus den entsprechenden Epochen. Alles ist liebevoll arrangiert. Besonders die Kellergewölbe des Schlosses bieten ein stimmungsvolles Ambiente für die sorgsam ausgewählten und zusammengestellten Kleidungsstücke.
Seit nunmehr achtundvierzig Jahren beschäftigt sie sich mit Modischem und aus der Mode gekommenem. Bereits ihre Mutter versuchte, sich selbst in schlechten Zeiten, gut zu kleiden. „Doch die Sammelleidenschaft begann mit einem Kleid aus schwarzem Satin, wadenlang und schmal, unter dem spitzen Ausschnitt eine Knopfleiste mit zur Taille eng anliegenden Ärmeln. „Es gehörte meiner Oma“, erzählt die geborene Füstenwalderin. Die Großmutter, eine Wienerin, wollte das Kleid ausrangieren. Dagegen erhob die damals 14-jährige Josefine Einspruch. Sie hängte es sich nicht nur in ihren eigenen Kleiderschrank, sondern trug es auch auf verschiedenen Partys. Doch nicht nur das. Seither konnte die Modeliebhaberin nicht mit ansehen, dass Kleidungsstücke weggeworfen werden. „Schon bald hatte ich meinen Spitznamen weg: Lumpen-Fine. Jeden Fetzen hob ich auf und reparierte ihn.“
Kein Wunder, dass sie den Wunsch ihrer Eltern, Medizin studieren, ignorierte und eine Schneiderlehre aufnahm. Anschließend folgte ein Studium für Modedesign und Journalistik sowie ihr Job als Moderedakteurin bei der Zeitschrift „Für Dich“. Dreizehn Jahre lang, bis 1980, präsentierte sie ihre Mode Hunderttausenden von Leserinnen. So kreativ ihre Arbeit auch war, frei entfalten konnte sie sich nicht. „Meine Sachen waren zu flott. Fototermine mussten wiederholt werden, weil die Kleider zu westlich waren“, blickte sie zurück. Sie kündigte und eröffnete die erste private Boutique Ostberlins. Selbst aus dem Umland reiste die zumeist weibliche Kundschaft an, um bei Josefine Edle von Krepl in der Boxhagener Straße zu kaufen.
Doch auch hier musste sie viele Kontrollen über sich ergehen lassen, und das Finanzamt stand ihr ständig auf den Füßen. „Es macht einfach keinen Spaß mehr. Unter großem Herzensleid bin ich dann kurz vor dem Mauerfall ausgereist.“ Sie übernahm den kleinen Laden einer Frau, die in Wilmersdorf ebenfalls Antikmode verkaufte und zog 1998 mit ihrem Laden „Falbala“ an den Kollwitzplatz. Nun verkauft sie Antikmode in ihrem Museumsshop. Die Expertin für Kleider, Schnitte und Materialien, will aber nicht nur ihre gesamten Stücke ausstellen, sondern das Form- und Farbempfinden der Leute entwickeln, geschmacksbildend sein und die Ästhetik der Mode, die sie als eine Kunstrichtung versteht vermitteln. „Heute verschwindet langsam die Wertschätzung für das Schneiderhandwerk. Nicht Form und Design stehen im Vordergrund, sondern Preis und Marke“.
Deshalb gibt sie auch Seminare zu diesen Themen. „In der Mode ist eigentlich alles gesagt.
Heute werden die Schnitte nur neu kombiniert und andere Materialien verwendet. Deshalb lassen sich die Modeschöpfer gern in Antikläden inspirieren.“ Auch Donna Karan und Jean Paul Gaultier waren schon in ihrem früheren Berliner Laden. Jetzt werde sie wohl nach Meyenburg kommen müssen.